Achilles als Regenmacher

Beim Schachtabteufen auf der Zeche Friedrich der Große geschah es. Vier Hauer rangen der Erde Meter um Meter ab. Die Arbeit ging langsam voran. Wenn man nur der verdammten Wasserzuflüsse Herr geworden wäre, die aus höher liegenden Schichten dauernd herunterrieselten. Um das Wasser „kurz zu halten“, saugten es drei Pulsometer (Pumpen) von der Sohle weg und drückten es in einen Sammelbehälter, aus dem es durch eine weitere Pumpanlage zu Tage gebracht wurde. So gelang es, die Sohle einigermaßen trocken zu halten. Döste aber einmal der Pumpenwärter da oben, dann lief der Behälter über, und das Wasser platschte in dicken Güssen auf die Schachthauer. Solche Vorfälle brachten die Gemüter in Wallung, es gab ein Fluchen und Schimpfen: „Pumpen! Pumpen!“, brüllten die Männer. Das Geschrei erboste Achilles, der an eine vorübergehende Störung geglaubt hatte. Wütend ließ er seine künstlerische Arbeit an den Wunderquellen ruhen, obwohl das Werk wichtig war, wollte er doch Helena, die wieder mit ihm zusammenlebte, vor der prächtigen Kulisse des Steinkohlengebirges malen. Die Unterhaltung zwischen dem Maler und seinem Modell hatte außerdem viel Vertraulichkeit geschaffen, so dass einem Neuanfang der beiden nichts im Wege stand. Also entschuldigte sich Achilles bei seiner Geliebten, fuhr in der Gestalt eines Feuersalamanders nach oben, erschreckte den armen Pumpenwärter, der in Ohnmacht fiel, und warf den Sammelbehälter um. Er tat das mit einer atemberaubenden Schnelligkeit. Für die Schachthauer öffneten sich die Schleusen des Himmels, Wolkenbrüche stürzten über sie herab: „Pumpen! Pumpen!“, riefen sie in Todesangst. Aber nichts half. Unaufhörlich prasselte der Regen auf sie nieder. Einige glaubten, oben das hässliche Gesicht eines Feuersalamanders zu sehen, andere meinten, der Wettergott sei persönlich am Schacht aufgetaucht. Als der Regen nachließ und die Männer wie begossene Pudel zu den oberen Pumpen kamen, fanden sie nur den ohnmächtigen Pumpenwärter.

(Die Zeche Friedrich der Große in Herne wurde 1860 ohne ausländisches Kapital von Essener Anlegern gegründet. In den Jahren 1894/95 bekam die Zeche einen eigenen Hafen am Stichkanal des noch nicht eröffneten Rhein-Herne-Kanals. Nach Eröffnung dieser Wasserstraße im Jahr 1915 war der Absatz von Kohle zum Rhein und über den Mittelland-Kanal zur Weser möglich. Die Zeche wurde am 31. März 1967 geschlossen. Ihr Hafen besteht noch heute und dient den neu angesiedelten Betrieben als Umschlagplatz.)

Wolfgang Viehweger

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