Eine Frage des Respekts

Achilles tritt in unserer Stadt meist sehr ernsthaft auf, manchmal launisch, wie Künstler nun einmal sind. Wenn er den Bergleuten erscheint, kommt er in Gestalt eines Feuersalamanders. Den Frauen begegnet er als Mönch, den Männern als Hund, den Kindern als Katze. Immer erwartet er von dem Gegenüber zum Zeichen seines Hoheitsanspruchs ein „Glück auf“! Wird es ihm verweigert, gibt es oft deftige Denkzettel, wie folgende Begebenheit zeigt: Ein Bergmann brach auf der Zeche Pluto gerade vor Ort Kohle, da erschien ihm Achilles in der Gestalt eines Feuersalamanders mit einem Grubenlicht. Das Tier kam dem Hauer so groß vor, dass es mit dem Kopf fast an den First stieß. Der Bergmann vergaß aus Furcht, ihm den üblichen Gruß zu entbieten, der Achilles immer sehr laut zugerufen werden muss, weil er schwerhörig ist. Als der Bergmann schweigend verharrte, packte der Berggeist seine Hacke und schleuderte sie mit solcher Wucht auf die Sohle, dass sie in tausend Stücke zersprang. Unter Krachen und Getöse verschwand er dann im Gebirge. Alle Stollen bebten. Der Bergmann hatte keinen Schaden genommen, aber eine Erfahrung gemacht. Andererseits erzählt man sich unter den Bergleuten auch Beispiele von Begegnungen mit Achilles, wo er freundlich und auch hilfsbereit auftrat, ja, er soll gelegentlich sogar Glück gebracht haben, wenn man ihm respektvoll begegnete.

(Die Zeche Pluto ist eine Gründung des Bergassessors Heinrich Thies aus Essen vom 11. Mai 1857. Das Grundkapital betrug 800 000 Taler. Kapitalanleger waren die Bankiers Simon Coppel aus Hannover, Gustav Runde aus Braunschweig und Wilhelm Schieß aus Magdeburg. Pluto, der Sohn des Kronos, hütet das Reich des Unterirdischen und wird in der Kunst mit düsterem Gesicht und in dunkler Kleidung dargestellt. Die Anspielung auf die Tracht der Bergleute ist bei der Namensgebung unübersehbar. Bis 1976 wurde auf der Zeche Pluto Kohle gefördert. Seit 1979 ist auf dem Gelände der technische Sonderdienst der Deutschen Steinkohle AG untergebracht.)

Wolfgang Viehweger