Die Beckumer und das Feuilleton


Zeichnung von Wolfgang Ringhut 2003

Als der Reichstag am 24. März 1803 formell die geistlichen Landesherrschaften aufhob und der Kölner Erzbischof Maximilian Franz nicht mehr über das Vest Recklinghausen regierte, nahmen das die Beckumer gelassen zur Kenntnis; denn der Landesherr hatte sich bei ihnen nie sehen lassen. Auch als nach der Auflösung des alten Reiches der Herzog Engelbert Ludwig von Arenberg, der in der nordfranzösischen Grafschaft Beaumont aufgewachsen war, auf Wunsch des Kaisers Napoleon das Vest Recklinghausen übernahm und damit die Säkularisation einführte, war das für die Beckumer Bauern kein Grund zur Beunruhigung. Von der Rentei an der Dorstener Straße aus wurde nun das Vest verwaltet. Viele Neuerungen wurden eingeführt, die Rücksicht darauf nahmen, dass der Landesherr, der französische Lebensart gewöhnt war, in Recklinghausen heimisch werden konnte. So wurde bestimmt, dass neben dem „Recklinghäuser Kurier“, verlegt in der Druckerei Bergmann, nun das „Feuilleton“ erscheinen sollte, natürlich in Französisch, damit der Hofstaat, den der Herzog mitgebracht hatte, täglich die heimischen Nachrichten lesen konnte.
Auch das hätte für die Beckumer kein Problem dargestellt, wenn nicht Bernhard Bergmann in der Rentei vorstellig geworden wäre. Er bat, zur Erweiterung des Betriebes ein geeignetes Grundstück in der Nähe der Stadt zu bekommen, um das Feuilleton in dem neuen Betrieb drucken zu können. Der Statthalter des Herzogs, der Graf von Nesselrode, verwies auf die Bauernschaft Beckum. Dorthin wolle niemand ziehen. Vermutlich seien also die Grundstücke in Beckum sehr preiswert.

Wie die Geschichte mit der Druckerei in Beckum ausging, lässt sich aus der Recklinghäuser Stadtchronik des Jahres 1804 entnehmen. Sie berichtet, dass der Buchdrucker Bergmann auf Anraten der herzoglichen Verwaltung einen Betrieb zur Herstellung des „Recklinghäuser Feuilletons“ im nahen Beckum gründen wollte. Er habe geglaubt, auf keinerlei Schwierigkeiten des Gemeinderats zu treffen. Die Beckumer hätten ihm jedoch die Ansiedlung verweigert mit dem Hinweis, dass Bücher und Zeitungen zum Bereich Bildung gehörten. Bildung aber verderbe den Charakter. So laute eine alte Beckumer Bauernweisheit.
Wohl oder übel mussten in der Druckerei Bergmann an der Schaumburgstraße die Mitarbeiter etwas zusammenrücken und dort das Feuilleton drucken. Bis zum Jahr 1815, als die Herrschaft Napoleons in Deutschland endete, wurde die französisch-sprachige Zeitung in Recklinghausen gedruckt. Die Beckumer störte das nicht. Sie interessierten sich nur wenig für Kultur und Sprache der Nachbarn.

Wolfgang Viehweger
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