Die Beckumer und und die Post


Zeichnung von Wolfgang Ringhut 2002

Seit dem ausgehenden Mittelalter, als sich die Beckumer noch im paradiesischen Zustand des Analphabetismus befanden, gab es in Westfalen Boten-, Reit- und Fahrpost. Die älteste reitende Post, die das Vest Recklinghausen durchquerte, war die brandenburgische Post von Berlin nach Kleve. Sie war vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg eingerichtet worden und kam zweimal in der Woche von Lünen über Waltrop, Horneburg und Marl nach Dorsten.
Beckum und Recklinghausen wurden davon zunächst nicht berührt. Am 2. April 1671 verhandelten die vestischen Landstände (die Vertreter der vestischen Ritterschaft) mit dem brandenburgischen Postmeister in Lippstadt, dass der von Berlin kommende Postwagen über Beckum, Recklinghausen und Horst nach Duisburg geleitet werde. Auch sollte jetzt die schnelle Postkutsche von Lünen über Beckum und Recklinghausen nach Dorsten fahren. Dem wurde stattgegeben. Botenposten (Postillons) gab es im Vest schon mehrere, weil sie sich als sicherste Beförderer für Briefe und Päckchen erwiesen hatten.
Mit der Errichtung des ersten preußischen Postamts in Dorsten im Jahr 1815 begannen die Probleme der Zustellung im Vest. Da es hier noch keine verbindliche Straßen- und Wegeordnung gab, wurde der Zustand der Verkehrsverbindungen den Städten und Gemeinden überlassen. Man kann sich vorstellen, wie das im morastigen Emscherbruch aussah, wenn es geregnet hatte. Die Beckumer taten sich mit der „Pflege“ der Landstraße, welche an der Bauernschaft vorbei nach Recklinghausen führte, besonders hervor. Sie füllten Löcher in der Straße mit Mist, häuften Bauschutt auf und sorgten dafür, dass die Straße nie trocken wurde. Zu diesem Zweck benutzten sie Gülle. Die Beckumer sahen nämlich in der Post keinen Sinn. Die Alphabetisierung in Verbindung mit der allgemeinen Schulpflicht begann bei ihnen erst im Jahr 1920. -
So wurde dieser Abschnitt der Landstraße zu einer Fahrt durch die Hölle. Die Postkutschen wurden hier besonders häufig umgeworfen. Reisende trafen mit Verspätung, blauen Flecken am ganzen Körper und Knochenbrüchen am Ziel ein. Auch die Pferde und Kutschen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Es kam zu Klagen.

Deshalb verfügte der vestische Landrat Graf Wilhelm von Westerholt-Gysenberg im Jahr 1823, dass sich die Landbevölkerung bei Strafandrohung um eine sichere und schnelle Beförderung der Post und der Reisenden zu kümmern habe. Der Beckumer Gemeinderat erklärte sich damit einverstanden, wenn im Gegenzug die Postboten nicht dauernd mit ihren Hörnern und Signalpfeifen im Vorbeifahren an ihrer Kirche Krach machten. Das wurde genehmigt. In der Nähe aller vestischen Kirchen, wo gerade Gottesdienste stattfanden, durfte nach einer Anordnung des Landrats nicht mehr mit dem Horn geblasen und eine Signalpfeife eingesetzt werden, um die Pfarrer und die Gläubigen nicht zu stören.
Allerdings brachte das im Vest postalische Probleme; denn die Hörner und Signalpfeifen hatten dazu gedient, dass die Postboten sich rechtzeitig bemerkbar machten. Die Leute auf dem Land, die keine Uhren kannten, waren auf Signale angewiesen. Eine stille Post brachte ihnen nichts.

Wolfgang Viehweger
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