Warum ich ein Emscherfreund bin

Als ich im Jahr 1963 aus beruflichen Gründen von Münster nach Wanne-Eickel kam, trug die Emscher nicht einmal mehr ihren Namen, sondern wurde im Volksmund die „Köttelbecke“ genannt. Tatsächlich musste die Emscher, der man wegen des Baus des Rhein-Herne-Kanals nicht ihr Flussbett gelassen hatte, den gesamten Abfall der Industrie von Dortmund bis nach Duisburg transportieren.
An eine Renaturierung war nicht zu denken. Trotzdem gab es Leute, wie den Privatdozenten Lorenz an der Universität Bochum, die sich mit dem Fluss beschäftigten und seine Geschichte erforschten. Meine erste Annäherung geschah in der Weise, dass ich der „Ambiscara-Gesellschaft“ beitrat, die Dr. Lorenz gegründet hatte. „Ambiscara“ ist der lateinische Name der Emscher und heißt in der Übersetzung: „Fluss, der für die Anwohner eine beständige Plage darstellt.“ Das Flussbett war nämlich bis 1850 sehr flach, weil die Emscher von ihrem Quellgebiet bis zum Rhein nur einen Höhenunterschied von 122 m zu überwinden hatte. Die vielen Mühlen und Umleitungen verminderten die Fließgeschwindigkeit noch mehr und machten den Fluss fast jährlich bei Regen und Schneeschmelze zur Plage im Emscherbruch.

Ebenso wie die geographischen Besonderheiten des widerspenstigen Flusses interessierten mich die Pläne zu seiner Schiffbarmachung in der Zeit von 1767 bis 1774, als die preußische Regierung über einen Schiffsweg auf der Emscher von Crange bis zum Rhein nachdachte. Man wollte den Kohlenumschlagplatz Dorsten durch den Hafen Crange ersetzen und dadurch den Weg der märkischen Kohle von Bochum nach Dorsten auf dem „Gahlener Kohlenweg“ abkürzen. Auch wenn der Plan gescheitert ist, beweist doch der spätere Bau des Rhein-Herne-Kanals, dass die Überlegungen sinnvoll waren. Ein Emscherfreund im eigentlichen Sinne bin ich geworden, als die Emschergenossenschaft beschloss, dem degradierten Fluss seine Seele zurückzugeben und ihn zu renaturieren. Das Projekt, das bereits 1991 mit dem Umbau der zahlreichen Emscher-Nebenflüsse begonnen hat, wird für neue Impulse in der „Terra Ambiscara“, der Emscherregion, sorgen.

Seit 1990, als ich mit dem Schreiben über lokale und regionale Geschichte im Ruhrgebiet begonnen habe, sind aus meiner Sympathie für die Emscher einige Bücher und Beiträge (u.a. für die „Emschervertellekes“) entstanden. Mein neues Buch, das zu Beginn des Jahres 2010 erscheinen wird, trägt den Titel „Satiren im Emscherbruch“ und gibt in 25 Beispielen einen humoristischen Einblick in das Leben und Treiben der einfachen Leute in einem fiktiven Dorf im Vest Recklinghausen. Die Emscher ist immer dabei, allerdings eine Emscher, die zur bäuerlichen Kulturlandschaft gehört mit ihren Wäldern, Wiesen und Äckern.

Wolfgang Viehweger

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