Der jüdische Friedhof in Wanne

Etwa 627 m² groß ist der jüdische Friedhof im Dreieck Eickeler Bruch / Kurhausstraße in Wanne, versteckt hinter einer anspruchslosen Ziegelmauer und Büschen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind vor der Einrichtung dieses Friedhofs am 1. Februar 1856 die Eickeler und Wanner Juden in Bochum beigesetzt worden, weil sie zur Synagogengemeinde Bochum gehörten.
Durch Auffinden eines Sterberegisters mit einem Belegungsplan lässt sich die älteste Grabstelle im Eickeler Bruch auf das Jahr 1874 datieren, während der älteste erhaltene Grabstein, der des Johann Meyer (geboren 17. März 1858; gestorben 28. Februar 1880) aus dem Jahr 1880 stammt. Genauere Angaben lassen sich nicht machen, weil im Zweiten Weltkrieg der Friedhof von Bomben getroffen wurde und bisher archäologische Arbeiten nicht vorgenommen wurden. Vor Gründung der Synagogengemeinde Wanne-Eickel im Jahr 1907 gehörten die hier ansässigen Juden weiterhin zur Synagogengemeinde Bochum, die im Grundbuch als Eigentümerin und Nutzerin des Geländes des jüdischen Friedhofs in Wanne eingetragen war. Für Pflege und Erhalt waren allerdings die einheimischen Juden zuständig. Deshalb mussten sie auf Geheiß des Wanner Amtmanns Friedrich Winter einen festen Zaun um den Friedhof errichten. Vorher war das Gelände lediglich von einer Hecke umgeben, die nicht ausreichend gegen streunende Tiere schützte. So war im Jahr 1900 eine Horde von Wildschweinen eingedrungen und hatte die Grabanlagen beschädigt. Auch mussten die Anwohner immer wieder gebeten werden, ihre Hühner nicht auf den Friedhof zu lassen.

Friedrich Winter, geboren 1853 in Gehringhausen bei Bünde; gestorben 1913 in Wanne, war vom 1. Januar 1887 bis zum 26. Februar 1913 Amtmann (Gemeindevorsteher) in Wanne. Während seiner Amtszeit stieg die Wanner Einwohnerzahl von 9407 auf 56 875 an. Friedrich Winter trug zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur bei. Noch zu Lebzeiten, am 1. Januar 1912, wurde er wegen seiner Verdienste Ehrenbürger der Gemeinde Wanne. Eine Straße ist nach ihm benannt.

Mit der Gründung der Wanne-Eickeler Synagogengemeinde im Jahr 1907 besserten sich die Zustände:

  • Der Friedhof erhielt einen bescheidenen Etat. Beteiligt war dabei die Familie des Metzgers Abraham Leeser aus Eickel.
  • Eine „Friedhofskommission“ überwachte die Belange der Begräbnisplätze und ihrer Ausstattung mit Grabsteinen und Inschriften, ebenso die Grabsteinhöhen.
  • Ein Friedhofswärter wurde eingestellt. Er übernahm auch die Gartenarbeiten.
  • Friedhofstor und Friedhofszufahrt wurden erneuert.

Nach dem Ersten Weltkrieg schien das Ende des jüdischen Friedhofs gekommen, da die Gemeinde Wanne den kommunalen „Waldfriedhof“ an der Hertener Straße einrichtete und dort den Juden ein Begräbnisfeld zur Verfügung stellte. Doch die religiöse Problematik führte in den kommenden Jahren dazu, dass es zu einer parallelen Nutzung beider Friedhöfe kam.
Am 22. Juni 1922 wurde der Friedhof geschändet, 13 Grabmäler wurden umgeworfen. In der Zeit zwischen 1938 und 1945 verfiel der Friedhof. Nach 1945 wurde er von der Stadtverwaltung geschlossen. Die Beisetzung von Wanne-Eickeler Juden fand seitdem auf dem jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen statt (seit kurzem gehören die Juden unserer Stadt zur Synagogengemeinde Bochum, Hattingen, Herne). Die kleine unscheinbare Anlage hat ihren besonderen Charakter bis heute bewahren können und lässt einen Vergleich mit dem jüdischen Friedhof in Herne „Am Hoverskamp“ zu. Die Gesamtgröße des dortigen Geländes beträgt 1170 m².

Wolfgang Viehweger

zurück zum Presseindex