Das Einzelkind

Du bist ein von Mutter und Großmutter verwöhntes Einzelkind, trotz Deiner 15 Jahre noch im embryonalen Zustand, unselbständig und ohne jedes Selbstbewusstsein. Damit gehörst Du zu den Unglücklichen, die von den Mitschülern nicht beachtet werden. Wenn das so ist, stehst Du einsam in der Pause auf dem Schulhof, während andere spielen, schreien und sich prügeln. Würdest Du nicht gern mitschreien und mitprügeln?
Hier einige unfehlbare Methoden, Dir Freunde auf dem Schulhof zu machen:

1. Schlage Dich mit einem schwächeren Mitschüler und lasse ihn gewinnen. Am besten ist es, Du blutest heftig aus der Nase. Der Gegner, der noch nie gewonnen hat, wird stolz auf seinen Sieg sein und für Dich Sympathie empfinden. Mache, um noch mehr Freunde zu gewinnen, so weiter, bis Deine Nase nicht mehr mitspielt und völlig deformiert ist.

2. In der Pause solltest Du immer ein Glas Senf mit einem Löffel zur Hand haben. Nimm guten Senf, vielleicht Senf aus Dijon. Wenn ein Mitschüler ein Butterbrot aus der Tasche zieht, reiche ihm etwas Senf. Solche Aufmerksamkeiten machen Dich schnell beliebt. Aber Vorsicht! Wenn ein Schüler Nutella auf dem Brot hat oder Marmelade, könnte Dein Angebot mit dem Senf als Ironie aufgefasst werden. Du riskierst dann Ohrfeigen. Lasse Dir das ruhig gefallen! Denke daran, dass Du nach Freunden suchst. Der Weg dahin ist mit vielen Ohrfeigen gepflastert.

(„Der Schulhof war früher eine Spielwiese für eine Schafsherde, über die der Aufsicht führende Lehrer wie der gute Hirte wachte. In den Zeiten der Emanzipation, wo Schülerinnen und Schüler bestimmen, was Pädagogik ist, ist der Schulhof ein wahres Schlachtfeld, auf dem jeder sich nach Herzenslust austoben und verwirklichen kann.“ Heinrich Pestalozzi)

Wolfgang Viehweger

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