Rat an einen Klassenlehrer

Sie sind Lehrer für Latein und Deutsch am Gymnasium, wirken trotz Ihrer 38 Jahre noch etwas unreif und tragen unglücklicherweise den Namen Jan-Bernd Schwaferlapp. Zu Hause, Sie wohnen noch bei den Eltern, müssen Sie sich über die Namensdeutungen von Freunden und Bekannten wundern, welche Sie abwechselnd „Schwafel“ (Quatschkopf) oder „Lappen“ (Waschlappen) nennen.
In der Schule ist es schlimmer, weil die Schüler unerträgliche Assoziationen, auch solche obszöner Art, erfinden und Sie damit provozieren. Allgemein herrscht der Eindruck, dass Ihr Geburtsvorgang noch nicht abgeschlossen ist. Im Unterricht bleiben Sie von den Namensforschern ebenfalls nicht verschont. Ihr Psychiater hat Ihnen zwar ein Hilfsmittel gegen den Krach empfohlen, aber es wirkt nicht. Er hat Ihnen geraten, die Augen zuzukneifen und mit schmalen Lippen „Mäh“ oder „Muh“ zu rufen. Das werde die Schüler beruhigen, weil diese tierischen Laute sie an ihre bäuerlichen Wurzeln erinnerten und nachdenklich machten. Doch bei Ihnen tritt das Gegenteil ein. Die Schüler mähen und muhen begeistert mit, so dass die Szene an einen Ziegen- oder Kuhstall erinnert.
Besser ist es, wenn die Schüler anfangen, Lärm zu machen, ungeniert mitzulärmen. Schlagen Sie die Schüler mit ihren eigenen Waffen! Werfen Sie mit Kreide, mit dem Klassenbuch, lassen Sie Knallfrösche los, pfeifen Sie auf einer Trillerpfeife und machen Sie Fratzen! Natürlich müssen Sie darauf achten, dass nicht plötzlich die Tür aufgeht und der Direktor Sie überrascht. Sollte Sie ein Schüler verpetzen, wird ihm das allerdings niemand glauben, er wird wegen übler Nachrede einen Verweis erhalten. Vielleicht wird die Lärmmethode Ihnen helfen. Sie ist übrigens uralt. Die Lateiner nannten sie „similia similibus curantur!“ (Ähnliches wird mit Ähnlichem bekämpft).

(„Die Methoden der modernen Pädagogik sind aus dem Leben gegriffen und kommen dem Spieltrieb der Schüler entgegen. Auf diese Weise macht der Unterricht Spaß und führt zu überraschenden Lernfortschritten.“ – Heinrich Pestalozzi)

Wolfgang Viehweger

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