“Bei den Emscherbrüchern – Die Pferdestricker“

Ende Juli eines jeden Jahres, wenn es in der Cranger Heide trocken war und Überschwemmungen der Emscher nicht befürchtet werden mussten, wurden die Pferdefänger, genannt „Pferdestricker“, bestellt. Unter den Bäumen im Emscherbruch legten die Helfer Futter aus. Auf den Bäumen saßen die Pferdestricker, die lange Stricke mit Schlingen an starken Ästen befestigt hatten. Wenn die Tiere fraßen, wurden ihnen von oben die Schlingen um die Hälse geworfen. Mit den Helfern, die aus ihren Verstecken kamen, wurden dann die Pferde gebändigt und zu den Koppeln und gesicherten Weiden in Crange gebracht, um ein Ausbrechen zu verhindern. Adelige brachten es auf 15 bis 20 Pferdestricker und ebenso viele Helfer. Die Fohlen bekamen ein Brandzeichen und wurden wieder zu ihren Müttern in die Freiheit entlassen.

Die Tiere, die zum Verkauf als Acker -, Karren – oder Reitpferde geeignet waren, wurden - je nach Wildheit – auf Koppeln, mit Holzbarrieren gesicherten Weiden und in überdachten Fangställen gefüttert, getränkt und bei Laune gehalten. Außerdem beließ man sie in kleinen Rudeln, damit sie den Schock des Gefangenseins besser ertrugen. Da das ganze Dorf und die Nachbarschaft die Vorgänge mit Interesse verfolgten, ist hier der Anfang der Cranger Kirmes zu suchen. Jedoch stand zunächst der Pferdemarkt am 10. August im Mittelpunkt des Geschehens, noch nicht die Kirmes. Der Verkaufsplatz befand sich auf der von der Emscher gebildeten Halbinsel zwischen dem Schloss und der Laurentiuskapelle. Der Zutritt war lediglich Käufern gestattet, die Zuschauer standen jenseits der Emscher. Dort fand auf einem Platz mit einigen Buden, Seiltänzern und Taschenspielern, gezähmten Affen und Bären die Kirmes statt. Das „fahrende Volk“ war noch in geringer Zahl, ganz im Gegensatz zu späteren Zeiten. Besonders die veredelten Emscherpferde waren von den Offizieren der benachbarten Garnisonen begehrt, so dass manchmal ganze Truppenteile mit ihnen beritten gemacht wurden.

Es ist bekannt, dass sich Napoleons Schwager, der Reitergeneral Joachim Murat, als Großherzog von Berg im Jahr 1806 für seine Feldzüge komplett mit den veredelten Wildpferden von Crange ausgestattet hat. Da diese sich weigerten, auf französische Kommandos zu reagieren, mussten ihre Reiter deutsch lernen, damit die Tiere die Befehle verstanden und ausführten. In der „Grande Armée“ hieß es scherzhaft:

„ Wir sprechen mit unseren Kameraden französisch - und mit unseren Pferden deutsch!“

Wolfgang Viehweger

zurück zum Presseindex