Der Harkortsee in Eickel
(Spurensuche)

 

Die wichtigste Spur führt zu dem Namensgeber, dem Industriellen und Politiker Friedrich Wilhelm Harkort, der am 22. Februar 1793 auf dem Stammgut der Familie, dem Haus Harkorten, zwischen Hagen und Gevelsberg geboren wurde. Nach dem Besuch der Handelsschule in Gummersbach begann er eine kaufmännische Lehre in Barmen und zog im Jahr 1813 in die Freiheitskriege gegen Napoleon. 1818 schied er aus der Armee aus und übernahm bei Langenberg ein Kupferhammerwerk. Später stieg er in den Maschinenbau ein, leitete in Elberfeld eine Fabrik für Dampfmaschinen und Dampfkessel und belieferte mit den Produkten bald ganz Deutschland. Im Jahr 1826 legte der umtriebige Mann in Wetter einen Hochofen an und begann mit der Eisenverhüttung.
Als Friedrich Harkort 1833 in den westfälischen Landtag gewählt wurde, brachte er seine Erfahrungen mit den mittelalterlichen Transportwegen in Deutschland ein und forderte in einem Memorandum („Die Eisenbahn von Minden nach Köln“) eine moderne Bahnverbindung der Städte zwischen Rhein und Weser. Er legte die Vorzüge der Bahn so geschickt dar, dass das Projekt 14 Jahre später Wirklichkeit wurde und ihm den Ehrennamen „Vater des Ruhrgebiets“ einbrachte.

Zweite Spur: Wanne erhielt 1856 auf dem Gelände des Bauern Storp einen Güterbahnhof für die Zeche Pluto-Thies, dem 1864 ein Haltepunkt für den Personenverkehr folgte. Nach dem Bau einer neuen Bahnhofsanlage in den Jahren 1867 bis 1870 wurde der Bahnhof Wanne mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke nach Münster am 1. Januar 1870 zum größten Eisenbahnknotenpunkt neben Hamm in Westdeutschland. Als einziger Bahnhof im Ruhrgebiet vereinigte er alle vier Betriebsarten: Rangierbahnhof, Heimatbahnhof für über 300 Lokomotiven und Triebfahrzeuge, Bahnhof für den Güter- und Personenverkehr. Von da war es kein weiter Weg zum Beinamen des Hauptbahnhofs Wanne-Eickel, der auf die ganze Stadt übertragen wurde: „Wanne-Eickel, die Stadt der 1000 Züge“. Zum Gedenken an Friedrich Harkort, den Eisenbahnpionier, wurde wahrscheinlich nach seinem Ausscheiden aus dem Reichstag, dem er von 1871 bis 1875 angehört hatte, der im Gemeindeatlas von Eickel im Jahr 1823 genannte „Feldweg“, an dem die Bauern Weimann, Lichtenberg, Fünshof, Beisemann und Sonder ihre Höfe hatten, in „Harkortstraße“ umbenannt. Es kann auch sein, dass diese Umbenennung erst nach dem Tode Harkorts am 6. März 1880 erfolgte. Auf jeden Fall bestätigt das Straßenverzeichnis der Gemeinde Eickel vom Jahr 1893 die Umbenennung.

Dritte Spur: Das Gebiet östlich von der Harkortstraße bis zur Hauptstraße gehörte ebenso wie der Heisterkamp mit dem späteren Sportpark vom Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zum Überflutungsraum des Dorneburger Mühlenbachs. Deshalb hatten schon um 1420 Johann von Eickel zu Gosewinkel und Röttger von Dorneburg, zwei praktisch denkende Männer, einen ca. 500 m langen Kanal zwischen der Gosewinkeler Mühle und der Dorneburger Mühle dort angelegt, wo der Kützelbach in den Dorneburger Bach an der Ecke Königstraße/Holsterhauser Straße floss und dann eine scharfe Wendung in Richtung Westen nahm. Hier kam es schon damals zu Wasserstaus und Überschwemmungen, welche der Kanal regeln sollte. Durch höheren Uferbau und bessere Uferbefestigungen erhoffte man sich zusätzliche Sicherheit gegen das Hochwasser. Außerdem konnten die beiden Unternehmer durch den Kanal Waren transportieren und die Wassermenge der Bäche regulieren. Die Zusammenarbeit der Herren von Dorneburg und von Gosewinkel führte andererseits zur besseren Auslastung der beiden Mühlbetriebe und damit zu mehr Gewinn. Mit dem Konkurs der Herren von Dorneburg im Jahr 1749 endete das Kanalprojekt. Über den alten Kanal wurde eine Straße gebaut (heute: Am Weustenbusch). Damit begannen wieder die schweren Überschwemmungen des Dorneburger Mühlenbachs, obwohl der Kützelbach im Jahr 1872 beim Abteufen der Zeche Hannibal II (an der Eickeler Straße) versiegte.

Vierte Spur: Der „Harkortsee“ auf einer Fläche von ca. 25 000 bis 30 000 m² zwischen Harkortstraße, Hauptstraße und Martinistraße dürfte nichts anderes sein als das Ergebnis jährlicher Überflutungen des Dorneburger Mühlenbachs, der eine Wohnbebauung in dieser Gegend lange Zeit verhinderte. Die Benennung ist volkstümlich und eine Analogiebildung zur benachbarten Harkortstraße. Eigentümer des Geländes war die Friedrich Krupp Hüttenwerke AG, die eine Industrieansiedlung beabsichtigte, aber die Pläne nicht realisieren konnte, weil die Natur das verhinderte. Die Stadt Wanne-Eickel nutzte bis 1933 das morastige Gebiet als Kippgelände (Müllkippe), nachdem der Dorneburger Mühlenbach verrohrt worden war. Noch im Jahr 1933 siedelten sich die ersten 14 Kleingärtner an; bis zum Jahr 1934 folgten noch 6 weitere. Von 1966 bis 1972 kam es zwischen den Kleingärtnern „Am Harkortsee“ und den Krupp Hüttenwerken immer wieder zu Streitigkeiten wegen der Bebauung. Erst der Neubeschluss des Rates der Stadt Herne von 1975 weist die Anlage im Flächennutzungsplan als Dauerkleingartenanlage aus. Wegen der finanziellen Situation der Stadt Herne verzögerte sich die Anbindung des KGV „Am Harkortsee“ an die öffentliche Schmutzwasserentsorgung bis zum Jahr 2000. Die Fläche der Anlage (Nettofläche: 12 925 m², 75 Mitglieder, 37 Parzellen) ist im Liegenschaftsbesitz der Stadt Herne. Damit endet die Geschichte eines Baches, den man lange nicht bändigen konnte, und eines Sees, den keiner wollte, zwischen den Gemüsebeeten und vor den Lauben einer Kleingartenanlage. Die Fantasie der Leute aber hängt immer noch an dem schönen Namen „Harkortsee“ und verschiebt seine Existenz und sein Verschwinden ins Märchenhafte.

Wolfgang Viehweger

Quellen: Stadtverband der Gartenfreunde Herne-Wanne e.V. (Festschrift)
Fachbereich Vermessung und Kataster der Stadt Herne

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