Ein Ausflug in die Kolonie

WAZ Herne, 03.10.2011, Klas Libuda

 
(Foto: Thomas Schild)

Wanne-Eickel/Bochum. Der Verein Herner Netz lud am Sonntag zum Rundgang durch die Siedlungen der Zeche Hannover. Das Ganze war eine Reise in die Vergangenheit. Die WAZ war dabei.

Ein wenig verschlafen wirken sie noch, die ehemaligen Kolonien rund um die Zeche Hannover. Hier, wo das Dorf Hordel, die Dahlhauser Kapps- und die Eickeler Kolonie aufeinandertreffen, muss an diesem spätsommerlichen Sonntagmorgen niemand mehr zur Schicht auf den Pütt. Das alte Kraftwerk ist heute eine Halde, die Zeche längst ein Industriemuseum. Die Siedlungen rund um das Bergwerk heißen mittlerweile Herne-Eickel und Bochum-Hordel – ihre Geschichte haben sie dennoch behalten, wie die Kulturführung „Wohnen auf der Seilscheibe“ des Vereins Herner Netz jetzt eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Nur einen Steinwurf von der Zeche entfernt liegt die Siedlung Rübenkamp mit ihren kleinen gedrungenen Häuschen, den grünen Fensterläden und den Backsteinwänden, bei denen der Putz an manchen Stellen nicht mehr da sitzt, wo er eigentlich sollte. „Das ist der kürzeste Weg“, sagt Stella Burjanek vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, „den sind auch die Steiger gegangen.“ Ihre Kolonnen auch, denn nicht nur zusammen gearbeitet haben sie, sondern teilweise auch zusammen gelebt.

Etwa im über 100 Jahre alten Haus Nummer sechs, früher Eigentum eines Steigers, der sich ein Zubrot als Vermieter verdiente, heute stolzer Besitz des Landschaftsverbands. „In Spitzenzeiten haben hier bis zu 35 Personen gelebt“, sagt Burjanek, auf zwei Etagen und 135 Quadratmetern Gesamtfläche. Jetzt stehen rund 30 Wissbegierige in einem der mit rotem Parkett ausgelegten Räume und fragen sich, wie genau das funktioniert haben soll – wenn sie die Zeit nicht noch selber miterlebt haben. Denn vor allem ältere Gäste sind der Einladung vom Herner Netz gefolgt: Einer hat in seiner Zeit als Bergmann selbst im Hochbett eines Ledigenheims genächtigt, andere kennen noch den Kruppschen „Konsum“ gleich um die Ecke – früher Lebensmittelladen, heute eines der schönsten Wohnhäuser am Rande der Bochumer Berthastraße. Vieles hat sich verändert, seit die Zeche 1973 stillgelegt wurde, noch mehr seit ihrem Bau 1857. Einer Zeitreise gleicht dieser Ausflug trotzdem, vorbei am Grundstück des Bergwerkdirektors – dessen Anwesen nur noch auf Fotos existiert, weil es einer Reihe Mehrfamilienhäuser weichen musste – oder der Halde gleich nebenan, die sich heute als winterliche Rodelbahn verdient macht.

Wer in der kalten Jahreszeit eine Abfahrt wagt, landet dann, so wie das Herner Netz an diesem Vormittag, auf direktem Wege in Wanne-Eickel. „Wir sind jetzt auf Herner Gebiet“, sagt Reiseleiterin Stella Burjanek dann auch, kaum haben die Teilnehmer einen Fuß auf die Dahlhauser Straße gesetzt. „Aber nur ganz knapp.“ Im Rücken die Zeche, der „Konsum“ in Sichtweite. Am Straßeneck das Steigerhaus. Nur kein Steiger. Auch keine Kolonne. Alles ruhig in der Eickeler Kolonie.


Quelle: Foto und Text WAZ

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