Der Harkortsee in Eickel


Der Harkortsee in Eickel
(Illustration von Magdalena Skowronski, 2012)

Das Gebiet östlich von der Harkortstraße bis zur Hauptstraße gehörte ebenso wie der Heisterkamp mit dem späteren Sportpark vom Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zum Überflutungsraum des Dorneburger Mühlenbachs. Er kam ebenso wie der Kützelbach, der über die Marienstraße und die Königstraße im Dorneburger Knick zufloss, von einem Höhenzug. Dieser erstreckte sich über die Herzogstraße nach Westen, hatte seinen Scheitel am Eickeler Markt, wo das Dorf, die Johanneskirche, die Burg und der Wirtschaftshof (Schultenhof) standen, und ging weiter nach Osten bis zum Lohof und der Reichsstraße. Die Herren von Eickel wohnten schon lange nicht mehr in der Stammburg, weil deren Unterhalt zu teuer geworden war. Seit 1420 hatten sie eine Zweitburg auf einer Wiese im Gosewinkel und nannten sich seitdem die „Herren von Eickel zu Gosewinkel“. 100 Jahre später ging der Besitz durch Heirat auf das Geschlecht derer von Hugenpoth über, die abhängig vom Herzog von Kleve waren. Deshalb nannte man die Burg zeitweilig auch „Haus Hugenpoth“. Die Burg Eickel, die seit dem frühen Mittelalter auf dem „Berg“ stand, wurde im 17. Jahrhundert abgerissen, ebenso später die Johanneskirche im Jahr 1890 wegen Baufälligkeit. Die neue Johanneskirche an der Hauptstraße wurde 1896 eingeweiht. Als die Industrialisierung auch in Eickel ihren Einzug hielt, wurde wegen der Zechen Hannibal und Hannover die Wohnbebauung vorrangig, das Gelände des Berges musste abgeflacht werden.

Der Dorneburger Mühlenbach nutzt die Geländeunterschiede von Berg und Tal wie jedes fließende Gewässer. In diesem Fall liegt das daran, dass das Gebiet nördlich vom Eickelberg, wenn man ihn so nennen kann, eine Landsenke (ein Bruch) ist, die sich von der Dorneburger Straße entlang dem Heisterkamp und der Röhlinghauser Straße bis zum Eickeler Bruch hinzieht. Diese Senke ist noch heute, trotz aller rigorosen Nivellierungsmaßnahmen, deutlich sichtbar. Außerdem bemerken die Anwohner bei Starkregen, dass sich danach der sandige Untergrund unter den Häusern aktiviert und zum Fließ wird. Die Keller werden nass. Das alte Flussbett ist erwacht.

Der Eickelberg ist eine Wasserscheide, vergleichbar dem benachbarten Gysenberg. Die Bäche fließen daher nicht nach Süden zur Ruhr, sondern nach Norden zur Emscher.

Bald nach 1420 hatten Johann von Eickel zu Gosewinkel und Röttger von Dorneburg, zwei praktisch denkende Männer, einen ca. 500 m langen Kanal zwischen der Gosewinkeler Mühle und der Dorneburger Mühle dort angelegt, wo der Kützelbach in den Dorneburger Bach an der Ecke Königstraße/Holsterhauser Straße floss und dann gemeinsam mit ihm eine scharfe Wendung in Richtung Westen nahm. Hier kam es schon damals zu Wasserstaus und Überschwemmungen, welche der Kanal regeln sollte. Durch höheren Uferbau und bessere Uferbefestigungen erhoffte man sich zusätzliche Sicherheit gegen das Hochwasser. Außerdem konnten die beiden Gutsherren durch den Kanal Waren transportieren und die Wassermenge der Bäche regulieren. Die Zusammenarbeit der Herren von Dorneburg und von Gosewinkel führte andererseits zur besseren Auslastung der beiden Mühlbetriebe und damit zu mehr Gewinn. Die Burg Gosewinkel wurde im Jahr 1717 abgebrochen. Mit ihr verschwanden die Mühle und der Kanal. Mit dem Konkurs der Herren von Dorneburg im Jahr 1749 endete auch die Dorneburger Mühle. Über den alten Kanal wurde eine Straße gebaut (heute: Am Weustenbusch). Damit begannen wieder die schweren Überschwemmungen des Dorneburger Mühlenbachs, obwohl der Kützelbach im Jahr 1872 beim Abteufen der Zeche Hannibal II (an der Eickeler Straße) versiegt war.

Der „Harkortsee“ auf einer Fläche von ca. 25 000 bis 30 000 m² zwischen Harkortstraße, Hauptstraße und Martinistraße dürfte nichts anderes sein als das Ergebnis jährlicher Überflutungen des Dorneburger Mühlenbachs, der eine Wohnbebauung in dieser Gegend lange Zeit verhinderte. Die Benennung ist volkstümlich und eine Analogiebildung zur benachbarten Harkortstraße. Eigentümer des Geländes war die Friedrich Krupp Hüttenwerke AG, die eine Industrieansiedlung beabsichtigte, aber die Pläne nicht realisieren konnte, weil die Natur das verhinderte. Die Stadt Wanne-Eickel nutzte bis 1933 das morastige Gebiet als Kippgelände (Müllkippe), nachdem der Dorneburger Mühlenbach verrohrt worden war.

Noch im Jahr 1933 siedelten sich die ersten 14 Kleingärtner an; bis zum Jahr 1934 folgten noch 6 weitere. Von 1966 bis 1972 kam es zwischen den Kleingärtnern „Am Harkortsee“ und den Krupp Hüttenwerken immer wieder zu Streitigkeiten wegen der Bebauung. Erst der Neubeschluss des Rates der Stadt Herne von 1975 weist die Anlage im Flächennutzungsplan als Dauerkleingartenanlage aus. Wegen der finanziellen Situation der Stadt Herne verzögerte sich die Anbindung des KGV „Am Harkortsee“ an die öffentliche Schmutzwasserentsorgung bis zum Jahr 2000. Die Fläche der Anlage (Nettofläche: 12 925 m², 75 Mitglieder, 37 Parzellen) ist im Liegenschaftsbesitz der Stadt Herne.

Damit endet die Geschichte eines Baches, den man lange nicht bändigen konnte, und eines Sees, den keiner wollte, zwischen den Gemüsebeeten und vor den Lauben einer Kleingartenanlage. Die Fantasie der Leute aber hängt immer noch an dem schönen Namen „Harkortsee“ und verschiebt seine Existenz und sein Verschwinden ins Märchenhafte.

(Aus dem Buch „Harkort in Eickel“ von Wolfgang Viehweger, 2012)


(Bild: Tränendes Herz 1)


(Bild: Tränendes Herz 2)


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