(Zeichnung von W. Ringhut 2011)

Vor vielen hundert Jahren, als der Harkortsee noch „Mühlenteich“ hieß, der am Fuße des Eickelberges lag (benannt nach der Burg Eickel), wohnten da, wo sich jetzt die Jägerstraße befindet, im dichten Unterholz kleine weiße Geister, die zur Nachtzeit auf einer Lichtung kegelten.
Kegel und Kugeln waren aus purem Gold und ihr Rollen und Klingen tönte weit über die Niederung bis zur heutigen Martinistraße. Bisweilen wurden die Vögel aus ihrem Schlaf geweckt, auch die Hasen kamen hervor und lugten neugierig aus den Büschen. Nur die Bauern der Umgebung wagten sich nicht heraus, weil sie Angst vor den kleinen Geistern hatten. Ein Bursche fasste sich jedoch ein Herz, weil er meinte, eine goldene Kugel sei mehr wert als die lebenslange Feldarbeit. In einer Sommernacht stieg er heimlich auf den Eickelberg, kam an die Geisterlichtung und sah schließlich zu, wie die kleinen Wesen eifrig die Kugeln schoben. Sie benötigten dazu keine Kegeljungen; denn die Kugeln rollten von selbst zurück und die Kegel stellten sich ebenfalls von selbst wieder auf.
Plötzlich schoss eine Kugel auf den Burschen, der im Gebüsch saß, zu und sprang in seine Hand. Der Räuber rannte wie von Furien gehetzt vom Eickelberg, wenig später verfolgt von den Geistern, die den Verlust der Kugel bemerkt hatten. Die wilde Jagd ging bis zum Mühlenteich, in den der Bursche vor Angst hineinsprang, weil die Geister schon dicht hinter ihm waren. Da rief eine dünne Stimme: „Das war Dein Glück! Im Wasser haben wir keine Macht! Hätten wir Dich an Land gepackt, hätten wir Dir den Hals umgedreht!“

Der Bursche, der jüngste Sohn des Bauern Sonder, kam glücklich heim, baute ein prächtiges Haus und lebte zufrieden bis ans Ende seiner Tage. Zum Dank für seine Rettung pflanzte er an dem Haus, das nahe am Mühlenteich lag, eine große Linde, welche noch da stand, als die Geister längst verschwunden waren. Wahrscheinlich hatten sie den Raub der Kugel nicht verschmerzt.

(Aus dem Buch „Harkort in Eickel“ von Wolfgang Viehweger, 2012)