Die Nachtmahr von Horst



Nachtmahr ist die veraltete sprachliche Version von „Albtraum“. Sie belastet den Menschen und wird im Mittelalter als nächtliche schwarze Geistergestalt dargestellt, die durch Schlüssellöcher kriechen kann und die Schlafenden bedrängt. Ein Bauernsohn in der Herrlichkeit Horst, der schon mehrmals von einer Nachtmahr im Traum bedrängt und bedrückt worden war, verstopfte das Schlüsselloch seiner Schlafkammer mit Flachs. Trotzdem nützte ihm das nichts. Eine Nachtmahr kam durch das Schlüsselloch und verwandelte sich, als sie den jungen Mann wach im Bett sitzen sah, blitzschnell in eine schöne junge Frau. Sie gefiel dem Bauernsohn so gut, dass er sie heiratete.
Nach einem Jahr und der Geburt eines gemeinsamen Kindes fragte er sie eines Abends: „Weißt Du noch, wie Du mich als Nachtmahr geängstigt hast?“ Im selben Augenblick war die Frau verschwunden. Er sah sie nie wieder. Doch lag jeden Sonntag für den Mann und das Kind frische Wäsche vor dem Schlafzimmer. Außerdem bekam das heranwachsende Kind jedes Jahr ein neues weißes Nachthemdchen von der Nachtmahr geschenkt, die ihre mütterliche Liebe und Sorge auf diese Weise zum Ausdruck brachte.


Wolfgang Viehweger

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