Die weiße Frau von Schloss Herten

 

In dem alten Schloss in Herten ist es nicht ganz geheuer; denn es gibt dort, verborgen hinter der Wand des Rittersaals, eine weiße Frau, die auf ihre Erlösung hofft. Das ist so gekommen: Die Erbtochter Elisabeth von Herten heiratete im Jahr 1488 Dietrich von Stecke zu Leythe und gebar ihm eine Tochter namens Elseke, die im Alter von 6 Jahren von einem rätselhaften Fieber befallen wurde, das nicht endete. Das kränkliche Kind erlebte noch das 15. Lebensjahr, als es plötzlich verschwand. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, ein unbekannter Mann sei gekommen und habe der Kranken ein Mittel verschrieben, worauf sie verstorben sei. Dann habe man sie – um kein Aufhebens zu machen – in die Wand des Rittersaals eingemauert. Diese habe später einen Riss bekommen, wodurch das Verbrechen ruchbar geworden sei. Andere behaupten, in dem Schloss habe eine Wirtschafterin gewohnt, die eines Abends im Rittersaal den Kamin angeheizt habe. Plötzlich hätten die Türen zu klappern begonnen und die Flammen im Kamin hätten gelodert, ohne dass sie das Feuer geschürt habe. Aus der Wand sei eine junge Frau getreten, habe sie traurig angeblickt und geseufzt. Dann sei sie wieder in der Wand verschwunden. Nach einer Weile war alles totenstill.
Die Wirtschafterin hat nicht länger in dem Schloss leben mögen und ihren Dienst aufgekündigt. Tatsächlich ist bis zum heutigen Tag der Rittersaal im Schloss Herten eine unentwegte Baustelle. Es gelingt nicht, den Saal zu restaurieren. Das Gegenteil ist der Fall. Seitdem an der Decke die Zeichnung einer weißen Frau entdeckt wurde, droht die Decke – trotz aller Stützmaßnahmen – einzustürzen und den Rittersaal zu zerstören. So rächt Gott ein Verbrechen, das vor über 500 Jahren geschah und noch kein Ende gefunden hat. Elseke ist noch nicht in geweihter Erde bestattet worden.

Wolfgang Viehweger

zurück