Das Geistermahl in Strünkede

Als im Jahr 1487 Reinhard von Strünkede den Zorn des Herzogs von Kleve herausgefordert hatte, schrieb dieser eine öffentliche Zusammenkunft im Schloss aus.
Es trug sich aber zu, dass ein Edelmann aus dem Gefolge des Herzogs daselbst keine Unterkunft mehr finden konnte, weil er erst spät am Abend in Strünkede angelangt war. Der Aufseher erklärte ihm verlegen, dass alle Zimmer besetzt seien, bis auf eines, das zwar bequem, aber nicht geheuer sei, weil Geister dort ihr Unwesen trieben. Der Edelmann gab seinen Mut lächelnd zu erkennen und begehrte nur ein Licht, damit er das sehen könne, was sich im Zimmer zeige. Die Nacht war noch nicht halb herum, als es im Zimmer anfing, sich zu regen und zu rühren. Ein Hofdiener in altertümlicher Gewandung erschien, öffnete die Tür des Zimmers und ließ den fröhlichen Zug eines vornehmen Hofstaats eintreten. Der Edelmann, der wie erstarrt im Bett gesessen hatte, eilte in einen Winkel des Raumes, da er wegen der Besucher die Tür nicht erreichen konnte. Er sah nun zu, wie mit unglaublicher Behendigkeit dienstbare Geister eine Tafel deckten, köstliche Gerichte herbeitrugen und silberne und goldene Becher aufsetzten. Als das geschehen war, kam einer zu ihm und begehrte, er solle sich als Gast zu Tische setzen. Da der Edelmann sich weigerte, wurde ihm ein großer silberner Becher gereicht, daraus er der Gesellschaft Bescheid tun sollte. Der zitternde Mann wollte dem nachkommen, als ihn ein solches Grausen packte, dass er Gott laut um Schutz und Schirm anrief. Kaum hatte er das Gebet gesprochen, waren alle Pracht und das glänzende Mahl mit den Geistern verschwunden. Indessen blieb der silberne Becher in seiner Hand. Der Edelmann freute sich und glaubte, er sei von ihm gewonnenes Eigentum. Als aber dem Herzog von Kleve am nächsten Tag der Vorfall zu Ohren kam, fiel das Silber ihm anheim.

Woher der Becher gekommen ist, hat man nicht erfahren können, weil nicht, wie gewöhnlich, Wappen und Namen eingegraben waren, sondern merkwürdige Zeichen einer unbekannten Herrschaft.

(Aus dem Buch: „Moritaten“ von W. Viehweger)

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