Fürstäbtissin Franziska Christine von Essen,
die letzte adelige Besitzerin der Henrichenburg

Als Tochter des Pfalzgrafen Theodor von Sulzbach und seiner Gemahlin Maria Eleonore, Tochter des Landgrafen von Hessen – Rheinfels – Rothenburg, wird sie am 16. Mai 1696 geboren. Ihr Bruder ist der Kurfürst Karl Theodor von Pfalz – Bayern, ihr Vetter Maximilian Josef wird der erste König von Bayern.
Bereits mit 5 Jahren wird sie als Kanonissin (Ordensmitglied) in das Stift Thorn bei Roermond aufgenommen und dort am 31. März 1717 zur Äbtissin gewählt. Wegen ihrer Jugend muss die Genehmigung der Wahl durch Papst Clemens XI. eingeholt werden. Schon im Jahr 1712 wird sie für die Aufnahme in das Stift Essen präsentiert (vorgeschlagen). Vor dieser muss sie die hochadelige Geburt bis zum vierten Glied nachweisen. Die Ahnentafel der Fürstin zählt 30 Ahnen auf und geht bis auf Otto I. (936 bis 973) zurück. Am 15. Oktober 1726 wird sie zur Äbtissin des Stiftes Essen gewählt. Sie beendet die langjährigen Zwistigkeiten zwischen Reichsstadt und Reichsstift Essen, übernimmt einen Großteil der aus dem 30-jährigen Krieg herrührenden Schuldenlast des Stifts und ordnet einvernehmlich die Steuerpflicht der zahlreichen fürstlichen Beamten gegenüber der Stadt Essen.

Ihre Fürsorge als Landesmutter gilt der Stiftung des Waisenhauses in Steele: Im Alter von 64 Jahren kauft sie unter Mithilfe des Jesuitenklosters in Essen in der benachbarten Stadt Steele Grundstücke für den Bau eines katholischen Waisenhauses, in dem die Kinder aufgenommen, ausgebildet und betreut werden sollen. Als die Fürstäbtissin eines Tages mit ihrem Hofstaat von Essen nach Steele kommt, um das inzwischen fast fertige einstöckige Gebäude zu besichtigen, ruft sie entsetzt: „Das sieht ja aus wie eine Schäferei!“ Sie setzt den Hofbaumeister Kees ab und beauftragt mit der weiteren Ausführung den Bauunternehmer Josef Judas aus Düsseldorf. Im Jahr 1769 ist der zweistöckige Bau fertig. Am 4. Dezember 1769 werden die ersten Waisenkinder aufgenommen. Am 28. August 1770 wird die Kapelle neben dem Waisenhaus konsekriert. Die feierliche Weihe übernimmt der Abt Anselm aus der Benediktinerabtei Werden.
Am 16. Juli 1776 stirbt die Fürstäbtissin im Alter von 80 Jahren. Ihr 50 jähriges Regierungsjubiläum, das schon vorbereitet ist, erlebt sie nicht mehr. Franziska Christine bestimmt ihr gesamtes Vermögen testamentarisch für das Waisenhaus in Steele mit der Begründung, dass sie das Bedürfnis habe, sich dankbar zu zeigen für die vielfachen Gnaden, die ihr der Allerhöchste in den langen Jahren ihrer Regierung habe zukommen lassen. Am 18. Juli 1776 wird sie in der Gruft der Stiftskapelle in Essen beigesetzt. Zur Nachfolgerin wählt man Marie Cunigunde von Sachsen und Polen, die bis 1803 als letzte Fürstäbtissin in Essen regiert.

(Aus dem Buch „Die Grafen von Westerholt-Gysenberg“ von W. Viehweger)

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