Der tolle Bomberg / Wilde Streiche

 

Wo der Walzerkönig, an Höfen und Theatern herumreisend, sich in den schlanken Hüften wiegte und mit langen bleichen Händen durch den Haarwald fuhr, da fing Zauberei und Magie an.
Dem Baron Gisbert wurde nun hinterbracht, dass Strauß geäußert habe: „Wenn ich geige, tanzen selbst die Küken in den Eiern mit!“ Also gedachte der Baron dem Musiker einen Streich zu spielen und lud ihn samt seiner Kapelle zu einer großen musikalischen Soirée. Johann Strauß sagte zu und wurde mit seinen Getreuen auf zwei Jagdwagen abgeholt, das ganze Schloss erstrahlte bereits im Glanz der Kerzen. Der Baron im Frack, sichtlich erregt von der nahenden Veranstaltung, unterhielt sich im Flüsterton mit dem Geschmeichelten und erklärte, wie umständlich das Kleinste vorbereitet sei. Dann endlich gab er das Klingelzeichen, die Lüster erloschen, der Vorhang rauschte auf – Totenstille.
Die Musiker, im märchenhaften Glanz von dreihundert Kerzen, begannen als Ouvertüre mit dem Zigeunerbaron. Strauß wiegte sich dezent in den schlanken Hüften und kräuselte den Haarschopf. Seines Erfolges bewusst, gerierte er sich herablassend, gnädig, kaum lächelnd, sehr beherrscht. Keine Hand wagte Applaus. Gebannt starrte der überfüllte Saal. Dies schien bereits höchster Triumph und, beglückt von Erwartung, hob er den Taktstock abermals und intonierte die Fledermaus. Totenstille, Reih’ an Reih’ erstarrt, versteint. Die berühmte Stecknadel wäre wie ein Balken zu hören gewesen. Strauß lugte diskret und sah die vornehme Versammlung im gedämpften Saal: Bein an Bein in Lackstiefeln und Goldschühchen, tiefe gepuderte Brüste, gesteifte Hemden zu Fracks in langen Reihen, ordensgeschmückte Uniformen, Gelehrtenköpfe mit schlohweißem Haar. „Ihr Krautjunker! Landpomeranzen! Krieg’ ich Euch träge Westfalenseelen nicht mehr rum!“ Er holte sein nie versagendes Bravourstück, seinen Weltschlager, und geigte selig mit dem Teufel an der schönen blauen Donau...
Totenstille! Niemand regte sich! „Das ist Obstruktion, Ihr Canaillen!“ Seiner Sinne nicht mehr Herr, krümmte Strauß die hohle Hand, alle Musiker sprangen auf und – auf einmal, in ungeheurer Erkenntnis – gewahrten sie, dass sie eineinhalb Stunden vor einem Panoptikum sich verschwendet hatten, vor lauter ausgestopften Attrappen, vor Strohmännern, Phantomen, bemaltem Gips, Pappe und Latte. Den Fidelbogen in der Faust stürmte der genarrte Walzerkönig auf das Entrée und die Treppen hin durchs Haus und sah, als wäre nichts geschehen, die Dienerschaft ihre gewohnte Beschäftigung verrichten. Er herrschte eine Magd, die grinsend ihren Eimer vorübertrug, schäumend vor Wut an: „Wo steckt der Baron?“
„Der Herr Baron mit Familie ist schon vor eineinhalb Stunden zur Stadt in den Zirkus gefahren.“

Josef Winckler

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