Der tolle Bomberg / Ungebetene Gäste

In St. Antonius in der Stadt Herten ließ der Auskultator (Gerichtsreferendar) Friedrichs seinen ältesten Sprössling taufen. Aus Ochtrup waren drei Tanten, ein Patenonkel und ein Seminarschüler zur Stelle. Die Hebamme hob das Söhnchen bedächtig übers Taufbecken, indes die Messjungen blinkende Laternen auf Stangen hielten und der Pfarrer in Stola und weißem Rochett aus dem schwarzen Ritusbuch die lateinischen Gesetze hinmurmelte. Darauf respondierte der Küster in ebensolcher Monotonie. Das Knäblein blinzelte mit rotem Köpfchen in die Leere der Unendlichkeit und krallte die Fäustchen. Plötzlich donnerte der Kirchgang vom Gewölbe wider, eine große dunkle Masse verfinsterte den Bogen, und leibhaftig erschien plötzlich mit funkelnden Augen hoch über allen Taufgästen der Kopf eines Pferdes. Dieses roch, erhitzt von dem Galopp, in die Rundung des Taufbeckens, nahm frische Labung, schnupperte an der Hebamme, dem Täufling samt Spitzenkissen, schob Segensquasten und Ritualbuch zur Seite und sog mit gieriger Zunge das Weihwasser im Becken aus, während in der Kettenkinngrube das blanke Eisen klirrte.
So ungeheuerlich war’s, dass die Gesellschaft keinen Laut gab, als der Bogen sich bereits schattenhaft verfinsterte und wieder das volle goldene Tageslicht mit warmem Schweigen über die Schwelle der Kirche flutete.

Josef Winckler

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