Die Fans

Die Fans sind Teilnehmer an verschiedenen Gebräuchen, meist sportlicher Art, den sogenannten „Initiationsriten“, wie sie heute auch noch bei Naturvölkern üblich sind.

Es handelt sich um – vor allem an Wochenenden – veranstaltete Reifefeiern, wodurch die heranwachsenden Schüler vollberechtigte, heiratsfähige Mitglieder der Gesellschaft zu werden hoffen.
Zum Unterricht bzw. der Einweihung (der Initiation) gehören vor der Reifeprüfung der Fans gewisse Mutproben , z.B. das gemeinsame Pinkeln an Mauern, Hautverstümmelungen, z.B. Tätowierungen von Vereinsemblemen in verschiedene Körperteile, das Anbringen von Schmucknarben an den Ohren, Stammesabzeichen, z.B. das Tragen von Jacken, ärmellosen Westen mit Aufnähern und das Schwenken von Fahnen; ebenso Feiern im Busch, bezeichnet als „Buschfeiern“, wo so ungewöhnlich viel getrunken wird, dass manche Fans sich mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus wiederfinden.
Die Fans sitzen am Freitag mit glänzenden Augen im Unterricht und brüllen ab und zu spontan: „Attacke!“ – „Wir ziehen den Bayern die Lederhosen aus!“ – „Schiri raus!“ – „Auf Wiedersehen!“ Das bringt Leben in die Klasse, stößt allerdings bei den Mädchen auf Unverständnis, weil sie die sportlich – kulturellen Rufe der Fans nicht verstehen, welche sich auf das Wochenende einstimmen.
Am Montag sind die Fans ausgepumpt. Sie gehen mit verklärten Blicken über den Schulhof, erzählen immer wieder, dass sie in Bochum, Dortmund oder Schalke dabei gewesen sind und zeigen auf manche Verletzungen, die sie in Kämpfen mit gegnerischen Fans davongetragen haben: Stich- und Hiebverletzungen, ausgerissene Kopfhaut, lädierte Ohrläppchen, Mund- und Zahnverbände.
Die Fans sind leidenschaftliche, leidensfähige Menschen, die nach dem Abitur oft in schlagende Verbindungen gehen, wo ebenfalls Bräuche mit Initiationscharakter üblich sind. Andere Fans treten Geheimbünden in Europa bei, wozu auch die Geheimdienste zählen. Wieder andere wandern nach Übersee aus und treten in Gemeinschaften von Naturvölkern ein, deren Riten sie mitmachen, als ob sie nie etwas anderes gelernt hätten.

Wolfgang Viehweger

„Unsere Gesellschaft erlebt heute eine unleugbare Vernachlässigung der subjektiven, übernatürlichen Glaubensakte, wie sie noch die mittelalterlichen Märtyrer kannten. Dabei sind junge Menschen begeisterungsfähig und geradezu süchtig nach Vorbildern, die ihrem Leben einen Sinn geben.“ (Heinrich Pestalozzi)

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