Die Beckumer Jagdordnung

Vor einigen hundert Jahren ging einmal ein Beckumer Bauer mit seinem Hund auf die Jagd. Es war die Zeit, da beide noch eine gemeinsame Sprache hatten und sich deshalb gut verstanden. Als nun der Bauer an der Emscher ein Wildschwein erlegte und es ans Teilen ging, wollte er das Fleisch behalten und den Hund mit den Knochen abspeisen, weil das auch beim häuslichen Schweineschlachten so üblich sei.
Der Hund zog erbittert vor das Recklinghäuser Gericht, wo er vortrug, dass die Natur den Hund eigentlich mehr zum Fleischesser gemacht habe als den Bauern. Das solle auf jeden Fall bei der Wildschweinjagd gelten. Der weise Richter Steinweg ließ darauf die beiden Streithähne den Mund aufmachen und betrachtete eingehend das Gebiss des Bauern, anschließend das des Hundes. Nachdem er sich mit den Beisitzern zur Beratung zurückgezogen hatte, verkündete er, dass der Hund im Recht sei. Das Vorrecht beim häuslichen Schweineschlachten liege bei den Bauern. Fortan hätten jedoch alle Hunde in Beckum ein größeres Recht beim Wildschweinessen als die Bauern. Falls die Hunde auf dieses Vorrecht im Einzelfall verzichteten, könnten natürlich auch die Jäger von der Beute essen wie bisher. Um des lieben Friedens willen waren die Hunde damit einverstanden.

Nach der Zeit der Sprachtrennung wussten allerdings die Beckumer nicht mehr, wie es um das größere Recht beim Wildschweinessen bestellt sei. Deshalb wurde noch einmal der Richter Steinweg bemüht, welcher in einem Zusatz zum vormaligen Urteil erläuterte, dass das hündische Vorrecht unstrittig sei. Wenn allerdings der Jagdbegleiter teilen wolle und mit dem Schwanz wedle, könne der Jäger unbesorgt zugreifen. Zeige der Hund jedoch das Gebiss und lasse ein drohendes Knurren hören, müsse der Jägersmann abwarten, ob sein tierischer Begleiter ihm etwas Fleisch übrig lasse oder nicht. Diese Jagdordnung gilt noch heute in der Bauernschaft und erfreut sich großer Beliebtheit.

Wolfgang Viehweger
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