Der Kirchturm von Beckum

Einmal war im Vest Recklinghausen eine fürchterliche Dürre eingetreten. Die Hitze war unerträglich. Brunnen und Bäche vertrockneten auch in Beckum, und die Bauern standen ratlos vor dem durstigen Vieh und den verdorrten Feldern. Besser erging es den Misthaufen und Jauchegruben. Sie waren hoch und voll und erfreuten sich – trotz der Dürre – bester Gesundheit.
Gerade zu dieser Zeit bauten die Beckumer, die um verrückte Einfälle nie verlegen waren, an ihrem baufälligen Kirchturm. Doch der Bau drohte still zu stehen, weil kein Wasser zum Anrühren und Binden des Mörtels am Mauerwerk vorhanden war. Da war guter Rat teuer! Ein findiger Kopf kam auf den Gedanken, die überflüssige Jauche statt des Wassers zu verwenden. „Am Bau des Gotteshauses“, sprach er, „fehlt es uns an Wasser. Der Baumeister muss schon die Leute entlassen, weil es hier keine Arbeit mehr gibt. Bringt ihm also die Jauche. Auch damit kann man den Mörtel anrühren, und das zur Ehre Gottes, der uns die Jauche in Hülle und Fülle gegeben hat. Was unseren Feldern nützt, dürfte auch nützlich sein für unseren Kirchturm.“ Der Gedanke gefiel und wurde in die Tat umgesetzt. –
Allerdings stinkt es seit dieser Zeit in der Nähe der Kirche von Beckum so penetrant, dass die Besucher sich Taschentücher vor die Nasen halten müssen, wenn sie den Kirchplatz betreten. Der Mörtel dagegen hält durch die eigenartige Behandlung so gut, dass die Kirche noch für lange Jahre dem Zahn der Zeit trotzen wird.

Wolfgang Viehweger
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