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Tiergeschichten vom Gysenberg Jennifer Auch wenn ich weiß, dass mein Freund Werner Galland ein Jäger ist
und diese Berufsgattung im Ruf der Übertreibung steht, so weiß ich doch
auch, dass er eine Ausnahme bildet und mir niemals „Jägerlatein“ auftischen
würde, wenn er mir in der Jägerecke seines Restaurants seltsame
Tiergeschichten erzählt. Er habe, nachdem er das Restaurant von seinem Vater Hugo übernommen
hatte, zeitweise auf einer Wiese am Gysenberg Wildschweine
gehalten, weil er den Ehrgeiz verspürte, den Gästen frischen Wildbraten
zu allen Jahreszeiten anzubieten. Unter seinen Wildschweinen befand
sich eine junge Sau, die keine Scheu vor ihm gehabt und ihn beim
täglichen Füttern kokett und voller Übermut umkreist habe, um ihm zu
zeigen, dass er ihr Favorit vor allen Ebern sei. Er habe ihr als Zeichen
seiner Sympathie den Namen „Jennifer“ gegeben, den sie gern zu hören
schien. Seitdem warteten die Gäste täglich auf die Wildsau, da sie vermuteten, sie wolle eine zweite Runde Bier trinken. Das verhinderte Werner jedoch, indem er das Loch im Zaun verschloss und Jennifer weiter frisches Wasser saufen ließ, was ihr besser tat. Als Jennifers Erdentage abgelaufen waren, kam ihr Kopf zur Erinnerung an ihren denkwürdigen Besuch für immer in das Restaurant. Werner Galland meinte abschließend, dass das Tier ab und zu den Kopf schüttle, wenn es sehe, was manche Gäste für seltsame Tisch- und Trinkmanieren hätten. Juan Neulich besuchte ich meinen Freund Werner Galland, dem ich einiges Privatmaterial zu meinem Buch „Die Grafen von Westerholt-Gysenberg“ verdanke; waren doch die Gallands von 1742 die Rentmeister (Güterdirektoren) der gräflichen Familie bis zum Jahr 1947. Wir setzten uns also im Restaurant „Haus Galland“ in die sogenannte „Jägerecke“, wo der Künstler Wolfgang Ringhut eine Dauerausstellung von Werners Vorfahren präsentiert, tranken ein Bier und sprachen über Belangloses, als mir Werner schließlich eine Tiergeschichte erzählte, die ich rührend fand. Die Gallands hatten vor etlichen Jahren eine Jagdhündin namens„Emma“, die in der Zeit scheinträchtig war, als der Familie ein Glückskätzchen in den Farben rot, grau und weiß zulief. Der junge Kater wurde von Emma als ihr Baby betrachtet, beleckt, herumgetragen und adoptiert. Ihm kam das entgegen, weil er liebevoll und verschmust war, außerdem bequem genug, um die Sorge für die Organisation des Alltags der Pflegemutter zu überlassen. Nun hatte der Bauer Wittenberg, der direkte Nachbar der Gallands,
im Vorderhaus (mit Schuppen für Ackergerät) an der Ruhmbachstraße
ein Jahr später eine Katzenmutter mit vielen Kindern, die von Emma
und „Juan“, wie Claudia, die Tochter der Gallands, den Kater getauft
hatte, ständig beobachtet wurden, weil die beiden keinen anderen Zeitvertreib
hatten. Als die jungen Katzen geschlechtsreif wurden, sahen die
Zuschauer den ständigen Besuch von Katzenherren bei den Wittenbergs
und natürlich auch die Ereignisse, die sich aus den unverblümten Angeboten
der Freier ergaben. Wolfgang Viehweger |
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