Nachbetrachtung zum Krisenjahr 1923 in Deutschland
Die Ruhrbesetzung



Frauen suchen Kohle auf einer Halde im Ruhrgebiet 1923

Unter dem Vorwand, die Deutschen seien mit den im Versailler Vertrag vereinbarten Kohle- und Kokslieferungen im Verzug, besetzten im Januar 1923 etwa 60 000 französische und belgische Soldaten das Ruhrgebiet. Die Stadtverwaltungen mussten die notwendigen Quartiere beschaffen und standen jetzt unter dem Befehl von Militärkommandanten. Diese verhängten Ausgangssperren, ließen Fabriken und Zechen besetzen, verhafteten widerspenstige Eisenbahner, Werksbeamte und Arbeiter. Die Besatzer waren lediglich daran interessiert, so viel Kohle und Koks wie möglich nach Belgien und Frankreich zu schaffen.
Die Reaktion auf deutscher Seite war aktiver und passiver Widerstand. Zechen und Fabriken stellten die Förderung und Produktion ein. Es kam zu Sabotageakten. So wurde z.B. der Rhein-Herne-Kanal durch eine Sprengung still gelegt. Die Folgen für die Bevölkerung waren Lebensmittelknappheit und Inflation. Sogar die Kohle wurde im Ruhrgebiet so knapp, dass Frauen und Kinder auf den Halden mit bloßen Händen und Eimern nach Kohle suchten (s. Bild), um kochen und heizen zu können.
Erst im September 1923 wurde die Lage im Ruhrgebiet erträglicher. Die Reichsregierung unter Gustav Stresemann brach den passiven Widerstand ab und strebte eine Verhandlungslösung mit den Besatzern an. Auf der Konferenz von Locarno im Jahr 1925 kam es zu einer friedlichen Lösung der Probleme, die der Versailler Vertrag hinterlassen hatte.

 

Wolfgang Viehweger

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