Ansprache von Frank Sichau
Liebe Frau Viehweger, liebe Familie Viehweger
und liebe Trauergemeinde!
Wolfgang Viehweger, von dem wir heute
Abschied nehmen, bin ich in den 1960-er
Jahren, also vor knapp 60 Jahren, zum ersten
Mal begegnet. Er war damals junger Studienrat
am heutigen Gymnasium Eickel für die Fächer
Deutsch und Geschichte und ich hatte in der
Mittelstufe gerne Geschichte bei ihm. Bei aller
Beliebtheit bestand er jedoch – nicht nur aus
heutiger Sicht sehr zutreffend - von vorne herein
auf die konsequente Trennung von „Dienst und
Schnaps“ - wie wir im Ruhrgebiet sagen.
Durch die damaligen Kurzschuljahre verging
meine weitere Gymnasialzeit recht schnell und
ich sah ihn in den 1970-er Jahren bei den
jährlichen Familienfesten der Sozialdemokraten
wieder, was er bis zum Corona-bedingten
Ausfall dieser Feste ab 2020 beibehielt – in den
letzten Jahrzehnten jedoch mit einem Stand als
Heimatforscher und -schriftsteller, bei dem sie
ihn, liebe Frau Viehweger, – und nicht nur hier
– tatkräftig unterstützt haben.
Als ich in den 1980-er Jahren dem Rat der
Stadt Herne angehörte, wurde er Schulleiter der
heutigen Mont-Cenis-Gesamtschule in Herne-
Sodingen, der 2. Herner Schule für fast alle
Kinder mit der Möglichkeit, die Allgemeine
Hochschulreife zu erlangen.
Im Jahr 2000 erschien dann sein erstes
Heimatbuch mit dem Titel „Spur der Kohle ...“
und der informativen „Route des Achilles“ zu
den Bergbauschächten unserer Stadt. Als
Gesellschaft für Heimatkunde haben wir
mehrfache Exkursionen zu allen
Bergbaustandorten in Herne unternommen und
uns zugleich ein Bild davon machen können, was
die vielfältigen Folgenutzungen sind. Weitere
Exkursionen werden auch der Erinnerung an
unseren Verstorbenen dienen.
Zuvor hatte Wolfgang Viehweger humorvolle
Tiergeschichten geschrieben und herausgegeben,
die in enger Verbindung zu seiner schulischen
Tätigkeit standen.
Bereits ein gutes Jahr später (2001) erschien
sein Buch über die Herrenhäuser insbesondere
in Wanne-Eickel. Die von uns dazu
organisierten Exkursionen erinnerten bei vielen
Standorten an das Bibelwort „ … und es wurde
keine Stätte für sie gefunden oder auch: „Alles
hat seine Zeit.“
Sehr erfreut war ich über seine Veröffentlichung
„Eine Stadt mit vielen Gesichtern –
Kulturführungen durch Wanne-Eickel und
Herne“, die 2007 unsere Herner Stadtteile
vorstellte – jedoch nicht seinen Wohnsitz-
Stadtteil Wanne-Süd, was er später nachholte.
Dieses Buch macht auf wichtige Weise deutlich,
dass Heimatvereine unsere Gegenwart nicht nur
mit der Vergangenheit, sondern auch mit
Zukunftsperspektiven verbinden.
In dieser Stunde ist nicht die Zeit, alle seine
Werke mit ihren unterschiedlichen Perspektiven
zu würdigen, gestatten Sie mir jedoch, noch auf
drei Werke kurz einzugehen.
2013 erschien „Wäre nicht der Bauer – hätten
wir kein Brot“, ein Buch, das die fast
vergangene Landwirtschaft in unserer Stadt
vielfältig dokumentierte.
Zu einem Buch hatte ich ihn angeregt, nämlich
zu dem über Stanislaw Mikolajczyk, dem im
früheren Eickel-Holsterhausen geborenen und
in dieser Kirche getauften damaligen Polnischen
Exil-Ministerpräsidenten. Diese Information
von mir mir nahm er zunächst sehr skeptisch
auf. Sie erwies sich jedoch als verlässlich und
beruhte auf einem längeren WAZ-Artikel, den
ich in meiner Jugend vor zirka 60 Jahren
gelesen und nicht vergessen hatte.
(Eine Gedenktafel an Mikolajczyk ist im
benachbarten Pfarrzentrum angebracht.)
Dieses Buch aus 2014 ist auch ein Zeugnis für
Frieden und Völkerverständigung und in der
Trauerfeier für einen Germanisten zitiere ich
statt Gustav Heinemann eher Thomas Mann,
der geschrieben hat, dass „Krieg nichts anderes
ist als die Drückebergerei vor den Aufgaben des
Friedens.“
Wolfgang Viehweger und seine Familie mussten
in diesem Zusammenhang sehr traurige
Verlusterfahrungen machen. - Dagegen war es
für unseren Verstorbenen recht beglückend im
Rahmen des nordrhein-westfälischen Richeza-
Preises sein Buch und dessen polnische
Übersetzung vor wenigen Jahren in seiner
Kindheitsheimat Schlesien vorstellen zu können.
Sein letztes Buch war das über die Laurentius-
Kirchweih oder weniger geheimnisvoll über den
Ursprung der Cranger Kirmes in 1449 – auch
wenn sie erstmals 1484 – also 35 Jahre später
(wir kennen das von den vier Evangelien)
indirekt urkundlich erwähnt wird. Dieses
Thema hat ihn so bewegt, dass er dieses Buch
geschrieben hat, obwohl die Biographie
Mikolajczyks sein letzte Buch gewesen sein sollte
– wie er mir gesagt hatte.
Nach Gustav Hegler, der Anfang des 20.
Jahrhunderts einige Heimatbücher
veröffentlichte, die das historische Geschehen in
den damaligen Ämtern Eickel und Wanne
dokumentierten (Hegler war Eickeler), hat
Wolfgang Viehweger das zirka 100 Jahre später
auf vielfältigere Weise und - teils in
verschiedenen Kooperationen - mehrsprachig
getan.
Die Gesellschaft für Heimatkunde und auch ich
persönlich sind ihm zu sehr großen Dank
verpflichtet und werden sein Gedenken in Ehren
halten.
Das Foto in seiner Todesanzeige, liebe
Trauergemeinde, wird als Bild in unserem
Gedächtnis bleiben.
Ich schließe mit einem Stück Weltliteratur aus
dem 31. Psalm: „ In deine Hände, Herr Gott,
empfehlen wir seinen Geist.“
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