Sehr geehrte Frau Studienrätin, mein Sohn Herbert leidet an einem psychischen Trauma, das bei ihm eine Unterbrechung des motorischen und sensitiven Aufnahmevermögens verursacht. Es ist verbunden mit erhöhter Temperatur und heftiger Transpiration. Angesichts dieses Besorgnis erregenden Status erweist sich vorläufige Bettruhe als notwendig. Er wird voraussichtlich eine Woche nicht zur Schule kommen.

(Dieser Text besteht aus mit Fremdwörtern notdürftig verbrämten Leerformeln, dürfte aber der Klassenlehrerin ein anerkennendes Lächeln entlocken, wenn er ihr als Entschuldigung übergeben wird. – Heinrich Pestalozzi) 

Der vertrauliche Text

Sehr geehrter Herr Studienrat, auch Sie waren einmal jung und wissen doch, wie Kinder sind! Gestern Abend gab es im Fernsehen ein spannendes Bundesligaspiel zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. Mein armer Peter hielt es gar nicht mehr aus. Er zog das Trikot von Borussia Dortmund an, hisste die gelb-schwarze Vereinsfahne auf dem Balkon und sah mich flehentlich an. Da habe ich ihm gesagt: „Na schön, nächste Woche holst Du alles nach!“ Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schnell Peter vor dem Fernseher saß.

(Der plump vertrauliche Ton kann bei manchen Lehrern durchaus Eindruck machen, besonders dann, wenn sie selbst Anhänger eines Fußballvereins sind. – Heinrich Pestalozzi)

Der technische Entschuldigungsbrief

Sehr geehrter Herr Studienrat, wie Sie wissen, bin ich gelernter Elektroingenieur und habe in meinem Haus manches in Eigenleistung installiert, so auch den Fahrstuhl.
Da meine Tochter Renate kürzlich einen Sportunfall hatte, wollte sie aus dem zweiten Stock, wo sie in ihrem Zimmer über den Schulaufgaben saß, nicht die Treppe zum Abendbrot herunterhumpeln. Sie nahm also den Fahrstuhl, der plötzlich wegen eines Kurzschlusses zwischen den Stockwerken stehen blieb. Erst eine Stunde später bemerkte meine Frau das verzweifelte Klopfen. Ich befreite meine Tochter, die in einem beklagenswerten Zustand war. An Aufgaben war in dieser Situation nicht mehr zu denken.

(Der Brief könnte richtig sein, darf aber nur einmal als Entschuldigung verwendet werden, weil sonst der technisch versierte Vater als totale Niete entlarvt wird. Auch die Tochter kann nicht immer wieder die Treppe vermeiden. – Heinrich Pestalozzi)

Der besinnliche Entschuldigungsbrief

Sehr geehrte Frau Studienrätin, der gestrige Abend bei uns versprach harmonisch zu werden. Die Familie war versammelt und wartete auf das Abendessen. Ich las meine Zeitung, während meine Tochter Eva emsig an ihren Hausaufgaben saß. Plötzlich ging das Licht aus.
Ich muss hier gestehen, dass ich mich – trotz mehrmaliger Aufforderung der Stadtwerke – bisher geweigert habe, eine automatische Sicherung einbauen zu lassen. Deshalb brennen immer wieder die einfachen Sicherungen durch, seit wir vor zwei Wochen eine neue Waschmaschine gekauft haben. Meine Tochter Eva war tief geschockt und wollte ihre Aufgaben bei Kerzenlicht beenden. Leider war aber auch keine Kerze im Haus.

(Dieser sehr persönlich gehaltene Brief entbehrt nicht einer gewissen Überzeugungskraft. Die Lehrerin dürfte zur Einsicht gelangen, dass bei dieser Schilderung der Umstände nicht alles frei erfunden sein kann. – Heinrich Pestalozzi)