Der Beckumer Hexenturm

Am 4. Dezember 1484 erließ Papst Innozenz VIII. seine Bulle „Summis desiderantes affectibus“ (Urkunde zur Hexenverfolgung), in welcher es hieß: „Wir haben nicht ohne Betrübnis erfahren, dass es in einigen Teilen von Deutschland, in Städten und Dörfern, Personen gibt, welche ihres eigenen Heils uneingedenk vom katholischen Glauben abfallen, mit bösen Geistern sich verbinden und vermischen, durch ihre Zaubereien mit Hilfe des Teufels Menschen und Tieren schaden, die Felder und Früchte verderben und viele schwere Verbrechen begehen.“
Kraft seines Amtes trug der Papst den Richtern Jakob Sprenger und Heinrich Krämer auf, gegen solche Personen die Inquisition (peinliche Befragung) zu vollziehen und sie zu bestrafen. Drei Jahrhunderte währte der Hexenwahn und war im wörtlichen Sinne eine peinliche Prozedur, weil die Opfer unglaubliche Qualen zu erdulden hatten und schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Frauen waren mehr betroffen als Männer, da das Volk annahm, dass sich Hexen mit dem Teufel einlassen und mit ihm zusammen auf Menschenfang gehen. Da es keine Beweise gab, genügte eine Denunziation für einen Prozess. Als Indizien galten: schlechter Ruf, körperliche Behinderung (Klumpfuß), schnell erworbener Reichtum, Trunksucht, überraschend großes Wissen und sporadischer Kirchgang. Da die Beckumer mit diesem Katalog wenig anfangen konnten, fügten sie noch folgende Punkte hinzu: Verursachung von Überschwemmungen, Dürren, Viehseuchen und Ernteausfällen. Die peinliche Befragung sollte ein Richter in Recklinghausen vornehmen, weil es einen solchen in Beckum nicht gab. In Erwartung vieler Hexen und Hexenprozesse bauten die Beckumer einen „Hexenturm“ für den Aufenthalt der armen Wesen zwischen Verhaftung und Vollstreckung des Urteils. Der Turm steht noch heute und wird von den Einheimischen und Touristen wegen seines malerischen Aussehens als Wasserturm bezeichnet, andere halten ihn für einen Aussichtsturm.
Zu Ehren der Beckumer muss gesagt werden, dass es nach 1484 zwar zu manchen Verdächtigungen und Gerüchten kam, aber nie zu einer Verhaftung oder gar Verurteilung. Die Dorfgemeinschaft kannte sich nämlich von Kindesbeinen an und brachte es nicht übers Herz, jemand dem Richter auszuliefern. Auch die Nachbardörfer hatten keine Hexen, da sie keine finden konnten. Das lag letztlich auch an der einfachen Gemütsverfassung der Landbevölkerung, die nicht bösartig war. Sie kam durch die römische Bulle nicht in Versuchung. Auf diese Weise überdauerten im Emscherbruch die Hexentürme die Zeit der Verfolgungen ungenutzt für den eigentlichen Zweck. Sie dienten manchmal als Gefängnis für Diebe und Straßenräuber, manchmal als Lager für Gartengeräte.

Wolfgang Viehweger
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